Ich bin auf dem Weg zur Arbeit oder doch wenigstens zum Platz, der nach dieser befremdlichen Verhaltensmodalität benannt ist. Wahrscheinlich habe ich einen Lidschlag zu lange hingeschaut. Ignorieren ging jedenfalls nicht mehr. Zusehends verfiel meine Aufmerksamkeit dem Ding, ohne dass mir auch nur im Ansatz eine Mitsprache gewährt worden wäre. «Baby on board» an der Heckscheibe meines Vordermannes. Eine Bekanntmachung, die, davon war wohl auszugehen, in irgendeiner Weise für den nachfolgenden Automobilisten, in diesem Falle mich, von Relevanz sein müsste.
Bestrebt, dem Schild gerecht zu werden, verfiel ich sogleich ins Grübeln. Korrektheit in dieser Situation verlangte nach einer Reaktion, so viel stand außer Zweifel. Worin die allerdings bestehen könnte, blieb mir gänzlich nebulös. Mit dem Andauern meiner Ratlosigkeit wandelte sich nun zu allem Elend auch der Charakter der Aufschrift. War es zunächst noch so was wie eine freundliche Bitte, um was auch immer, wurde sie mehr und mehr zu einer herrisch vorgebrachten Forderung, die schliesslich in einer aggressionsgeladenen, flammenden Anklage mündete.
Ich begann zu schwitzen und meine Mundwinkel verfielen in gequälte Zuckungen, fernab jeder Kontrolle.
Einer Frau stünde ja die Möglichkeit offen, sich vorsorglich oben frei zu machen, um dem armen Baby, sollte es sich in einem kritischen Ernährungszustand befinden, lebensrettend die Brust zu reichen. Nur, worin konnte für einen Mann die ethische Verpflichtung diesem hoffnungsvollen, unschuldigen kleinen Men- schenwesen gegenüber bestehen? Womöglich die nächste Bankfiliale anzusteuern, um fürs Baby ein Sparkonto zu eröffnen, dem dann monatlich, sagen wir mal, 100 Franken zu überweisen wären. Eine Einrichtung, die sich etwa dann als nützlich erweisen würde, wenn das mit Bestimmtheit begabte Kind einmal studieren sollte. Eine preisgünstigere, ja eigentlich beschämend knausrige Alternative bestünde darin, sich eine Pappnase überzustülpen, um dann, koste es, was es wolle, den Vordermann zu überholen und bei dieser Gelegenheit grimassierend dem Kinde zuzuwinken, getragen von der Hoffnung, solcherart im Antlitz des Babys ein Lächeln auszulösen. Oder einfach vor den Eltern auf die Knie gehen, um ihnen zu huldigen für den meisterhaften Vollzug des Zeugungsaktes oder ...
Ich weiß nicht, aber es scheint mir, dass ich den Anforderungen des Straßenverkehrs je länger, je weniger gewachsen bin. Diese Informations-bomben, die dauernd um einen herum niedergehen, ich halt sie nicht mehr aus.